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NTERVIEW: PETRA BITTNER Hilpoltsteiner Zeitung vom 27.02.2021

Gott ist online
Seelsorge in Zeiten der Pandemie. Schwierig? Pfarrer WENZEL aus Allersberg beschreitet neue Wege - mit Kochvideos und Live-Talks. Das kommt an. Auch bei Innenminister Joachim Herrmann.

In der nordafrikanischen Stadt Oran bricht eine Seuche aus, die unerbittlich um sich greift und die Bürgerschaft dahinrafft. Kommt Ihnen das bekannt vor, Herr Pfarrer Wenzel?
Ja, durchaus! Das hab´ ich aber in meiner Gymnasialzeit gelesen, ist also schon ein Weilchen her...

Wir sprechen von Albert Camus´ Roman „Die Pest“ aus den 1950er Jahren. Im Buch heißt es einmal: „Die Religion der Pestzeit konnte nicht die Religion aller Tage sein...“ - Können Sie das unter dem Eindruck der aktuellen Pandemie unterschreiben?
Nein, dem Zitat stimme ich nicht zu. Religion trägt - in dunklen wie in hellen Augenblicken. In Zeiten von Pest oder Pandemie erlebt man diese Kraftquelle halt intensiver, weil man sie ja akut braucht. Sobald es uns gut geht, ist ihr Nutzen oft schnell vergessen.
Es gibt diese wunderbare Geschichte von Jesus, wie er zehn Aussätzige heilt – aber nur einer von denen kommt zurück und bedankt sich...

Passt irgendwie zu einer Gesellschaft, in der Tod und Sterben am liebsten verdrängt werden. Seit Corona funktioniere das allerdings nicht mehr und dieser Umstand „irritiert, schockiert, erschüttert“ die Menschen, sagt die evangelische Theologin Margot Käßmann.
Auch das sehe ich ein bisschen anders. Was die meisten von uns in erster Linie wahrnehmen, sind abstrakte Zahlen von Toten. Es ist nicht wie zu Zeiten der Pest, als ein Drittel der Bevölkerung vor den Augen der anderen starb. Oder wie im Krieg, wo der Kamerad nebenan erschossen wurde.
Ich habe sogar das Gefühl, die Leute verdrängen den Tod jetzt noch mehr als vor Corona. Mir ist die Bestattungskultur ein echtes Anliegen. Aber die verändert sich gerade dramatisch und ich habe große Sorge, dass sich das einbürgert: Der Tote wird verbrannt, die Asche eingegraben und die wenigen Angehörigen gehen schnell wieder auseinander. Fertig. Als Pfarrer leide ich darunter, weil das nicht gut ist.

Inwiefern?
Schauen Sie aufs 17. Jahrhundert, den Barock. Da wurde einem der Tod ständig vor Augen geführt – in der Realität, aber auch in der Kunst. So ähnlich wie in den Totentanz-Bildern der Allersberger Sebastianskirche. Dieses beeindruckende Wandgemälde macht auf sehr plastische Weise deutlich, dass wir alle endlich sind. Nur wenn man das verinnerlicht, kann man das Leben auch als Geschenk begreifen! - Der Barock war übrigens eine sehr lebensbejahende Epoche...

Das ist natürlich leichter gesagt, als getan in Zeiten großer Verunsicherung. Mit welchen Botschaften stemmt sich die Kirche denn gegen kursierende Ängste?
Ein Seelsorger muss Ängste ernst nehmen und Halt bieten.

Das heißt?
Ich versuche, die Fröhlichkeit des Glaubens nach außen zu tragen, indem ich den Menschen zeige, wie gut es sich aus dieser Freude heraus leben lässt. Mir fällt dazu der Psychiater Viktor Frankl ein, den ich einmal in Salzburg erleben durfte. Er war im KZ und hat danach geschildert, dass er mit Blick auf die Barmherzigkeit und Liebe zwischen den Insassen tatsächlich Freude erlebt habe – an einem solchen Ort!
Was ich meine: Es gibt Menschen, die an schweren Situationen seelisch zu zerbrechen drohen. Aber es gibt auch die, die reifen. Im Vertrauen auf Gott. Das möchte ich begreiflich machen.

In der Kirche treffen Sie aktuell nicht allzu viele Schäfchen, um das zu multiplizieren. Also: Wie transportieren Sie Ihre Botschaft während des Lockdowns zu den Leuten? Sie haben da ja ganz spezielle Methoden, wie man hört...
Das ging ganz banal los: mit Klopapier! Im März 2020 war Samson Deboch Tesfaye zu Gast. Ein äthiopischer Priesterseminarist, der viel von Technik versteht – ganz im Gegensatz zu mir! Nachdem wir ja keine öffentlichen Messen feiern durften, haben wir einen kleinen Spaßfilm gedreht, in dem wir die Klopapier-Hamsterkäufe ein bisschen auf die Schippe nahmen. Dieses Filmchen wurde dann an einige wenige Leute verschickt – zwecks Gaudi.
Womit wir nicht gerechnet hatten: Die Sache ging durch die Decke, etliche Leute sprachen mich an! Das war ein echter Aha-Effekt und ich dachte: „Da machen wir weiter!“ Inzwischen existieren mehrere Kochvideos mit mir, wir senden Messen live, im Advent ging täglich ein Video raus, im Januar habe ich  die „Heilige Nacht“ von Ludwig Thoma gelesen und jetzt in der Fastenzeit gibt’s einen geistigen Impuls pro Tag auf YouTube, Facebook oder unserer Homepage.
Die Diözese bescheinigt uns mittlerweile um die 2000 Klicks pro Woche auf der Website. Plus: die Nutzer in den Sozialen Medien.

Warum kommt das so gut an, was denken Sie?
Vielleicht, weil ich das Schubladendenken ausheble. Heutzutage kursiert doch eine fertige Meinung von Kirche: konservativ, verstaubt. Wenn die Gläubigen hier vor Ort ihren Pfarrer anders erfahren, dann spiele ich ganz bewusst mit diesem Klischee. Gleichzeitig erlebt man mich hoffentlich als jemanden, der Gottes Wort aktiv aus besagter Freude heraus zu leben versucht. Mein Lebensmotto: „Fröhlich katholisch!“ Dazu trägt auch Camillo Graf Igor von Neusitz bei, mein Dackel. Er taucht regelmäßig in den Videos und im Pfarrbrief auf. Als „Herz- und Türöffner“ hat er sich nämlich bestens bewährt!

Sie sind also auf den Hund gekommen! Hat sich Ihr multimediales Bemühen im Lauf der Zeit sonst irgendwie verändert?
Es wurde intensiver. Wie schon erwähnt, senden wir gerade jeden Tag ein Fastenzeit-Video.  Zusätzlich gibt es viele Predigten als Audiodateien auf der Homepage. Kürzlich sagte eine Frau zu mir: "Ich hör´ Ihnen abends immer so gern zu, da schlaf´ ich dann gut ein". Na ja, Predigtschlaf ist der gesündeste Schlaf... (lacht).
Ansonsten gehört der Internetbereich mittlerweile zum Standard bei uns, um die Frohe Botschaft zu verkünden. Zum einen, weil das angeschaut wird - auch von Menschen, die nicht zur Kirche gehen. Zum anderen, weil ältere und gebrechliche Menschen die Möglichkeit erhalten, an den Messen ihrer Gemeinde teilzunehmen – vom Wohnzimmer aus.

Glauben Sie, dass die Kirche zu lange zu träge war, um alternative Formate zu nutzen?
Eigentlich ist die katholische Kirche eine Institution, die sich immer medienaffin gezeigt hat: Die ersten Bücher wurden in Klöstern geschrieben, Radio Vatikan ging seinerzeit sehr früh an den Start... - Aber man kann durchaus hinterfragen, wie aktuell mit den Neuen Medien umgegangen wird. Allerdings hat Corona einiges angestoßen.

Sie laden sich nun zum dritten Mal einen Besucher in Ihr Pfarrhaus ein und halten die Begegnung für die Allgemeinheit live auf Video fest: Am 1. März ist der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann zu Gast bei „Pfarr-TV“. Was versprechen Sie sich von der Zusammenkunft?
Früher gehörte zur Pfarrhauskultur, dass der Wohnsitz des Priesters ein Ort der Begegnung war. Das hat sich verändert und ich möchte ein Stück weit dahin zurück. Bei den Pfarrhausgesprächen sollen unterschiedliche Menschen zu Wort kommen: Der Hildegard von Bingen-Fachmann Pfarrer Ulrich Schnalzger aus Möning war schon da, der Altdorfer Stadtpfarrer und Faschingsfreund Dominik Pillmayer auch. Die politische Komponente wollte ich haben, weil mich das selber sehr interessiert: Wie bringt ein christlicher Politiker seinen Glauben ins Amt ein? Wo liegen die Grenzen? Wie geht er damit um?

Nach Corona – wie wird Kirche da funktionieren?
Die Zahl der Austritte steigt weiter, da mache ich mir nichts vor. Unsere Aufgabe wird es künftig sein, statt mit Quantität mit Qualität zu punkten. Wir müssen uns geistlicher, religiöser präsentieren und die Menschen in einer moderneren Sprache ansprechen.

Wenn ich noch einmal Camus zitieren darf: „Auch die grausamste Prüfung war für den Christen Gewinn. Und das war es gerade, was der Christ suchen musste, seinen Gewinn, und worin der Gewinn bestand und wie er zu finden war.“ Heißt das verkürzt: Im besten Fall können Gläubige auch etwas Positives aus der Krise ziehen, ja?
Am Ende jeder Krise steht ein Beginn. Wir Christen sollten das als Chance verstehen, um die Gesellschaft mit unseren Werten neu mitzugestalten.     

I

ZUR PERSON:
Pfarrer Peter Wenzel wurde  1970 in Regensburg geboren. Er studierte Theologie in Regensburg, Salzburg und Rom. 1998 empfing er die Priesterweihe. Nach zwei Kaplanstellen wurde er Wallfahrtsrektor auf dem Habsberg. Er war neun Jahre lang Pfarrer in Herrieden, bevor er 2016 die Stelle in Allersberg antrat.

Heilige Messen in der Pfarrei Allersberg

Samstag 17.30 Uhr (von November bis einschl. März 17.00 Uhr)
Sonntag 8.30 Uhr und 10.30 Uhr

Gottesdienstzeiten in der Expositur Göggelsbuch

Samstag 19.00 oder Sonntag 9.00 im Wechsel mit Ebenried (von November bis einschl. März 18.30 Uhr)

Gottesdienstzeiten in Ebenried

Samstag 19.00 oder Sonntag 9.30 im Wechsel mit Göggelsbuch (von November bis einschl. März 18.30 Uhr)

Pfarrei Allersberg

Leiter:
Pfarrer Peter Wenzel
Hinterer Markt 24
90584  Allersberg